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Waldbaden ist eine Methode zur Entspannung und Erholung inmitten der natürlichen Umgebung. Wir sprachen mit der Waldtherapeutin Maria Rück aus Bad Wörishofen über die stressreduzierende Wirkung des Waldbadens und konkrete Techniken und Übungen. Zudem gibt sie nützliche Ratschläge dazu, wie man den passenden Wald auswählt, die Achtsamkeit während des Waldbadens praktiziert und das Waldbaden in den Alltag integriert.

Was ist Waldbaden und wie würden Sie es jemandem erklären, der noch nie davon gehört hat?

Beim Waldbaden geht es nicht ums Tauchen in Laub oder das Durchziehen von Bahnen im Moos, auch nicht darum, kilometerweit durch den Wald zu laufen. Stattdessen dient der bewusste Aufenthalt im Wald zur Erholung und Regeneration, um einen Ausgleich zu unserem hektischen Alltag zu finden. Der Wald ist ein Kraftort, der uns beeinflussen kann, wenn wir uns auf ihn einlassen und unsere Sinne für die feine Wahrnehmung öffnen. Es geht um Ruhe, Stille und Achtsamkeit. Auf diese Weise können wir das volle Potenzial des Waldes nutzen. In Japan, wo das Waldbaden als Shinrin Yoku bekannt ist, wird diese Praxis seit den 1980er Jahren praktiziert. Die Verantwortlichen des japanischen Gesundheitssystems wurden bei Aufenthalten, Aus- und Fortbildungen in Bad Wörishofen durch das Naturheilverfahren nach Kneipp inspiriert.

Wie kann das Waldbaden stressreduzierend wirken und welche spezifischen Techniken oder Übungen empfehlen Sie?

Waldtherapeutin Maria Rück

Waldtherapeutin Maria Rück. Foto: pr

Der heutige Alltag ist oft von einem ständigen Streben nach Tempo und Überlastung geprägt, sowohl beruflich als auch privat. Dies stellt den Menschen vor immer größere Herausforderungen und kann zu Stress- und Burnout-Erkrankungen führen. Der Körper besitzt jedoch einen effektiven Anti-Stress-Faktor: den parasympathischen „Ruhenerv“. Während der Sympathikus leistungssteigernd wirkt, fördert der Parasympathikus die Erholung. Die meditativen Elemente und Übungen beim Waldbaden sowie die Ruhe und Stille im Wald haben einen positiven Einfluss auf diesen „Nerv der Ruhe“ und tragen zur Stärkung der Resilienz, der psychischen Widerstandskraft, bei.

Übungen:

  1. Störendes abstreifen: Von den Schultern beginnend achtsam mit den Händen beide Seiten nach unten streichen, dann den Körper vorne und hinten abstreifen und abschließend vom Scheitel aus wiederholen.
  2. Entschleunigtes Gehen ­- vorwärts und rückwärts: Langsam beim Ausatmen die Ferse vorsetzen und beim Einatmen den Fuß bewusst abrollen. Das Ausatmen sollte länger sein als das Einatmen. Auch rückwärtsgehen, genauso achtsam wie vorwärts. Rückwärtsgehen verändert den Blickwinkel und erfrischt!
  3. Lautlos gehen: So geräuschlos wie möglich bei jedem Schritt sein und sich vorstellen, fast über dem Waldboden zu schweben.

Wie wählt man den richtigen Wald oder die richtige Umgebung für das Waldbaden aus?

Meines Erachtens gibt es nicht den richtigen oder falschen Wald.  Man sollte sich auf das eigene Gefühl verlassen, ob man sich in diesem Wald wohlfühlt. Meist sucht man sich einen Wald aus, der in der Nähe und gut zu erreichen ist. Es hat allerdings Vorteile, wenn ein Wald als Kur- und Heilwald zertifiziert ist, wie der Bad Wörishofer Wald seit 2022.  So bietet ein zertifizierter Heilwald abwechslungsreiche Waldbestände, ein gut zugängliches Wegenetz mit klarer Beschilderung sowie Ruhebänke und Sitzgelegenheiten. Das Waldinnenklima ist von hoher Luftreinheit geprägt, und es gibt unterschiedliche Waldbilder und Sinnesräume. Die Verkehrssicherung und Pflege des Waldbestandes sind gewährleistet, während Gefahrenquellen wie Totholz entfernt werden. Der Wald ist weit genug von Lärm- und Störfaktoren wie Straßen, Forstarbeiten und Spielplätzen entfernt.

Welche Rolle spielt die Achtsamkeit beim Waldbaden und wie kann man sie im Wald praktizieren?

Achtsamkeit bedeutet bewusste Wahrnehmung von dem, was in uns und um uns herum geschieht. Im Wald können wir besonders effektive Achtsamkeitsübungen praktizieren, wie meditatives Gehen und bewusstes Wahrnehmen unserer Sinne. Dadurch bin ich ganz bei mir und fühle mich durch meinen wachen Geist mit allem verbunden. Die Selbstbeobachtung und die Aufmerksamkeit für meine Umgebung zentrieren und erden mich, was eine entspannende und gesundheitsfördernde Wirkung auf Körper und Geist hat.

Waldbaden

Foto: pr/Thomas Linkel

Übungen:

  1. Sitspot-Übung: Einfach hinsetzen und den Körper bewusst spüren, ohne Anleitung. Wenn Gedanken kommen, lässt man sie vorüberziehen wie Wolken am Himmel.
  2. Verwurzeltes Gehen: Aufrecht stehen, den Körper spüren und sich vorstellen, Wurzeln von den Füßen in die Erde wachsen zu lassen. Langsam den Schwerpunkt aufs rechte Bein verlagern und Schritt für Schritt weitergehen. Die Wahrnehmungsfähigkeit kann gesteigert werden, indem man für einen Moment so tut, als ob man nichts sehen würde und sich behutsam vorantastet.
  3. Zentrierung mit Atemübung: Hände auf den Unterbauch legen und bewusst in das untere Zentrum, unterhalb des Nabels, atmen. Das Ausatmen mit jedem Atemzug sanft verlängern und das Einatmen von selbst kommen lassen.

Wie integriert man das Waldbaden am besten in den Alltag? Gibt es Empfehlungen für regelmäßige Praktiken oder Routinen?

Es heißt, 3 Stunden Waldbaden aktivieren das Immunsystem, indem sich die sogenannten Killerzellen vermehren. Es wird empfohlen: monatlich zwei- bis dreimal mindestens 2 Stunden im Wald verbringen und dabei etwa ca. 2,5 Kilometer schlendern. Noch 4 Wochen nach einem Waldtag sind die Abwehrkräfte erhöht.

Was sind Ihre persönlichen Erfahrungen mit dem Waldbaden und wie hat es Ihr eigenes Leben beeinflusst?

Der Aufenthalt im Wald ist besonders, denn er tut gut! Aus eigener Erfahrung kann ich das bestätigen. Waldbaden und Waldtherapie können einen wichtigen Beitrag zur Gesundheitsförderung von Körper und Geist leisten, dank der heilenden Kraft des Waldes und der Naturerfahrung. Unter dem Blickwinkel des salutogenetischen Ansatzes, der sich mit der Frage beschäftigt, was uns gesund hält, kann dies zu einer Veränderung des Lebensstils führen. Es erfüllt mich mit Freude, Menschen mit meinen Waldbaden-Angeboten dabei zu unterstützen, ihre Selbst- und Bewegungskompetenz zu stärken und sie für den Wald zu sensibilisieren. Denn je besser wir den Wald kennen, desto mehr schätzen und schützen wir ihn. „Wenn man in den Wald eintaucht, so tritt man in das Innere der Seele ein!“ (Paul Claudel)

Haben Sie Tipps oder Ratschläge für Menschen, die das Waldbaden selbst ausprobieren möchten?

Für das Waldbaden-Erlebnis sollte man allein gehen, um Ablenkungen zu vermeiden und sich ganz auf sich selbst konzentrieren zu können. Es ist wichtig, das Handy auszuschalten und keine Nordic-Walking-Stöcke zu verwenden. Es empfiehlt sich, mit kurzen Waldaufenthalten und Gehstrecken von etwa 30 Minuten zu beginnen und diese allmählich zu steigern. Man kann sich dabei auf ein bestimmtes Thema wie Achtsamkeit oder Langsamkeit fokussieren oder einen bestimmten Sinn aktivieren. Es ist ratsam, den Wald zu verschiedenen Tageszeiten, Jahreszeiten und bei unterschiedlichem Wetter zu besuchen. Vor allem aber sollte man den Aufenthalt im Wald genießen. Beim ersten Mal ist es jedoch am besten, an einer geführten Waldbaden-Tour in der Region oder am Urlaubsort teilzunehmen. In Bad Wörishofen werden ganzjährig Waldgesundheitsangebote mit ausgebildeten Waldtherapeutinnen angeboten.

Gibt es bestimmte Zielgruppen oder Personengruppen, die besonders von der Waldtherapie profitieren können?

Waldtherapie nutzt die gesundheitsfördernden Effekte des Waldes, z. B. bei chronischen Krankheiten wie Schlafstörungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Angststörungen und Depressionen. Langfristige Behandlungskonzepte wie Reha-Programme setzen auf diese Therapieform. Auch in der begleitenden Krebstherapie zeigen sich vielversprechende Ergebnisse. Beim Waldbaden geht es um Ruhe, Entspannung, Erholung, Sinneserleben und Achtsamkeit, um dem Alltag zu entfliehen und zu sich selbst zu finden. Es können auch Maßnahmen zur Gesundheitsförderung und Prävention eingesetzt werden.

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