Immer in der zweiten Märzhälfte hallt die ganze Stadt Santiago de Cuba vom internationalen Festival des Minnesangs Pepe Sánchez wider. Die musikalischen Variationen spielen sich immer wieder neu in der Casa de la Trova (Haus des Minnesangs), im Park Céspedes, im Konzertsaal Dolores, im Patio de los abuelos nebst anderen öffentlichen Orten der Stadt ab.
In diesem Frühjahr feierte das Festival den 125. Geburtstag des kubanischen Boleros „Tristezas“ von „Pepe“ Sanchez, der überhaupt als Schöpfer dieser vor allem in Lateinamerika und Europa hoch im Kurs stehenden Gesangsart gilt. Die Feier dieses Jubiläums bot die Gelegenheit, neben dem Urheber des Boleros dem wohl erfolgreichsten Interpreten Compay Segundo zu gedenken, indem ihm zur Ehre auf dem Friedhof ein Denkmal enthüllt wurde.
La Trova wird auch als traditioneller Gesang Kubas bezeichnet. Im 19. Jahrhundert ertönte diese ganz persönliche und stets neu interpretierte Gesangsform erstmals und entwickelte sich vom anfänglichen Liebes-, Volks- oder Heimatlied mit sentimentalen, patriotischen, ja politischen Betonungen zu den heute bekannten Kreolenkompositionen aus den typisch kubanischen Ursprüngen der Multikultur.
Pepe Sanchez wurde am 19. März 1853 geboren, er war Schneider von Beruf, daneben ein hervorragender Gitarrenspieler, dessen unermüdlichem Schaffen unzählige Kompositionen zu verdanken sind. Erstaunlicherweise kannte er sich in der Musiklehre absolut nicht aus, konnte diesen Mangel aber durch seine fantastische künstlerische Intuition ausgleichen.
Letztere machte ihn zum “Vater des kubanischen Minnesangs“, eine ihm zu Lebzeiten bereits von seinen Jüngern und Kollegen erdachte berechtigte Bezeichnung. Er erntete Lob und Ehre von namhaften Musikern, wie der Musikforscher Helio Orovio es beschreibt, welche dieses Naturtalent und Ignorant der Gesetze des Pentagramms mit bemerkenswerten Melodien und strukturiertem Rhythmus überraschend beeindruckte.
Heuer beteiligten sich am Festival eingeladene Musiker aus Japan, Mexiko und Spanien und es schimmert die berechtigte Hoffnung einer Zunahme der internationalen Teilnahme im nächstes Jahr durch. Dies dank der hervorragenden Darbietungen kubanischer Interpreten, wobei die Schwestern Ferrín herausragten, welche den Minnesang großartig pflegen. Sie brachten auch eine neue, bemerkenswerte CD von Autoren verschiedenster Epochen auf den Markt.
Aber auch an Komponisten und Interpreten früherer Zeiten erinnerte man sich, wie z.B. Sindo Garay, Manuel Corona, Delfín Casals, Miguel Matamoros, Pepe Banderas, Compay Segundo, Ibrahim Ferrer, Tata Villagas, der Schwestern Martí und Esther Borjas.
Bereits jetzt wird am Festival 2011 gearbeitet. Es wird besonders zu Ehren des genialen Schöpfers des Boleros, also Pepe Sanchez „zelebriert“ werden. Die gefällige und melodiöse Gesangsart hat beachtlich schnell und weitläufig fruchtbaren Boden in ganz Lateinamerika, insbesondere in Chile und Mexiko gefunden. Ihre Liebhaber werden das ihnen gebotene Ereignis des musikalischen Hochgenusses nicht verpassen.
Text & Foto: Marco Antonio Martinez Cabrerizo