Günter Germann leitet seit 1993 die Klinik für Hand-, Plastische und Rekonstruktive Chirurgie – Schwerbrandverletztenzentrum an der BG-Unfallklinik in Ludwigshafen und hat an der Universität Heidelberg seit 1999 eine Professur für Plastische und Handchirurgie.
Seit 2007 ist Günter Germann Präsident der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven, Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC). Der Vater von zwei Kindern baut derzeit eine neue Klinik auf, das Ethianum, Klinik für Plastische, Ästhetische und Präventive Medizin. Die Privatklinik wird im Frühjahr 2010 ihre Türen für die Patientinnen und Patienten öffnen. Wir sprachen mit Germann über das Thema plastischer Chirurgie. Wir sprachen mit Germann über das Thema plastischer Chirurgie.
“Mich ärgert sehr, wie einseitig und falsch diese Darstellung oft ausfällt. Die Ästhetisch-Plastische Chirurgie ist kein bloßes Schönheitshandwerk, wie den Menschen manchmal vermittelt wird. Wir sprechen hier über einen Teilbereich der Plastischen Chirurgie, der aus der Kunst der Rekonstruktion, also der wiederherstellenden Chirurgie, hervorgegangen ist. Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie sind in vielen Fällen eng miteinander verknüpft. Zum Beispiel bei einer Mammarekonstruktion, dem Wiederaufbau der weiblichen Brust. Wenn die Brust nach einer Amputation infolge einer Krebserkrankung bestmöglich wiederhergestellt wird, dann sind die Übergänge zwischen Rekonstruktiver und Ästhetischer Chirurgie fließend.
In der öffentlichen und veröffentlichten Wahrnehmung vermittelt sich unter der Chiffre „Schönheitschirurgie“ aber zumeist ein ganz anderes und reduziertes Bild von Ästhetischer Medizin. Als könne man mit ein paar Schnitten unglückliche Menschen wieder glücklich machen. So ist es aber nicht. Ein solches Bild wird weder den Patienten gerecht noch hat es etwas mit dem Selbstverständnis seriöser Ästhetischer Chirurgen zu tun.”
Sie lehnen den Begriff Schönheitschirurgie also ab?
Ja, ich lehne diesen Begriff aus zwei grundsätzlichen Erwägungen ab.
Zunächst einmal weckt er falsche Vorstellungen und Erwartungen, und er impliziert ein zweifelhaftes Versprechen. Wenn für viele Menschen die Äußerlichkeit der Reichen und vermeintlich Schönen zum Fixpunkt eigener Schönheitsorientierung wird, dann ist das eine Sache. Aber man muss sich auf der anderen Seite doch fragen: Was nutzt das neu geformte Gesicht, wenn es am Ende seinen Wesenszug verliert? Es ist kein Erfolg, wenn ein Patient zwar jünger aussieht, aber man ihn nach einem Eingriff kaum mehr wiedererkennt. Wir müssen Position beziehen, wenn gewisse „Schönheitschirurgen“ diese zumeist unreflektierten Wünsche zum Fixpunkt ihrer ärztlichen und geschäftlichen Tätigkeit machen. Ich halte gar nichts davon, die Menschen „schönheitschirurgisch“ in den Zeitgeist schmieden zu wollen, und ich halte eine solche Haltung auch für berufsethisch nicht vertretbar.
Der zweite Grund meiner Ablehnung ist, dass die Bezeichnung „Schönheitschirurg“ nichts über die Qualifikation des behandelnden Arztes aussagt. In der Öffentlichkeit ist leider kaum bekannt, dass sich in Deutschland jeder approbierte Arzt „Schönheitschirurg“ nennen darf. Im Gegensatz dazu verfügt ein Facharzt für Plastische Chirurgie über eine sechsjährige Ausbildung. Und damit verbindet sich nicht nur ein Qualitätsversprechen, sondern auch eine professionelle Haltung. Wir suchen das kritisch-konstruktive Beratungsgespräch mit dem Patienten und verstehen uns eben nicht als unkritisch ausführende Dienstleister zeitgeistgetriebener Wunschvorstellungen.
Sie sehen sich also als Ästhetisch-Plastischer Chirurg in einer besonderen Verantwortung?
Selbstverständlich. In der Ästhetischen Chirurgie gelten die gleichen ethischen Maßstäbe, die uns als verantwortliche Ärzte in der Rekonstruktiven Medizin leiten. In der Ästhetischen Chirurgie begegnen wir Menschen mit sehr unterschiedlichen Motivationen. Und ich halte es für entscheidend, dass wir uns in jedem Fall mit der Frage auseinandersetzen, was den Patienten antreibt, sich einer ästhetischen Operation unterziehen zu wollen – gemeinsam mit ihm und auf Augenhöhe. Das intensive Aufklärungs- und Beratungsgespräch ist nicht nur ein Ausdruck höchster Wertschätzung. Es ermöglicht erst das, was man unter Patientensouveränität versteht – nämlich auf der Grundlage umfassender Aufklärung eine sichere und selbstbestimmte Entscheidung treffen zu können. Und es ist ebenso ein zwingender Teil unserer ärztlichen Verantwortung. Wir dürfen nicht alles machen, was möglich und gewünscht ist. Wer sich nach einem Hinterteil wie manch prominenter Hollywood-Star oder vermeintlichen Traumbrüsten sehnt, sollte wohl eher einen Therapeuten aufsuchen als sich einer Operation zu unterziehen.
Ich will aber genauso deutlich sagen, dass die Ästhetische Chirurgie für zahllose Menschen auch eine wirkliche Lebenshilfe sein kann. Die Behebung von störend wahrgenommenen Körpermerkmalen oder die sanfte Unterstützung für ein frischeres Aussehen bringt viele Menschen wieder stärker in Einklang mit sich selbst und ihrer Umwelt. Wir können ihnen zu neuem Selbstwertgefühl und größerer Lebensqualität verhelfen. Wichtig ist, dass wir dabei stets die Individualität der Patienten im Auge behalten. „Schönheitsoperationen von der Stange“ kann es daher nicht geben.
Was kann man tun, um das öffentliche Bild von Ästhetisch-Plastischer Chirurgie als „Schönheitschirurgie“ zu korrigieren?
Wir müssen sehr viel deutlicher machen, wofür die Ästhetische Chirurgie steht, was sie leisten kann, was sie aber eben auch nicht leisten sollte. Und wir sollten den hohen Qualitätsanspruch unserer Profession stärker herausstellen. Was die seriöse Ästhetische Medizin heute leistet, ihre Operationsmethoden und ihre Operationsmaterialien, basiert auf spitzenmedizinischer Wissenschaft und Forschung.
Nur auf dieser Grundlage gelingen uns wirkliche innovative Sprünge, zum Beispiel in der zunehmenden Verwendung von langlebigem körpereigenem Fett statt vergleichsweise kurzlebiger und körperfremder Substanzen. Und zur Wahrheit gehört auch, dass sich die seriöse Ästhetische Medizin der permanenten Qualitätsüberprüfung und vorbehaltlos selbstkritischen Evaluation unterziehen muss. Das ist ein Qualitätsversprechen gegenüber unseren Patienten und zugleich eine Selbstverpflichtung unseres ärztlichen Handelns.