Die Porzellanmanufaktur Meissen ist die einzige, die ihre Materialien auch heute noch mit Hilfe eines eigenen Bergwerks fördert. „Wer kunsthandwerkliche Spitzenqualität liefern will, der darf bereits bei den Materialien keine Kompromisse machen“, fasst Christian Kurtzke, Vorsitzender der Geschäftsführung, den Grund dafür zusammen.
Kaolin – der Ursprung des Wortes für die Porzellanerde ist abgeleitet vom chinesischen Kao-ling, einem Bergmassiv in der Provinz Kiangxi. Dieser große Berg – nichts anderes heißt Kao-ling ins Deutsche übertragen – barg in sich die chinesische Porzellanerde. Dort begann der Porzellantraum, der zunächst die europäische höfische, später die ganze Welt erfasste.
Zwei Superlative kennzeichnen das Kaolin-Abbaugebiet der Manufaktur Meissen: Es gilt als kleinstes und ältestes Bergwerk aller derzeit noch in Betrieb stehenden Kaolingruben Europas.
Arbeit für zwei Bergleute
Im engeren Sinne bietet die Grube heute Arbeit für zwei Bergleute, im weiteren Sinne für rund 800 Mitarbeiter der Manufaktur. 2009 sind 245 Jahre vergangen, seit die Königliche Porzellan-Manufaktur im Oktober 1764 Kenntnis erhielt von einer Lagerstätte „weißer Erde“ bei dem Dorf Seilitz in der Gemeinde Zehren, zwölf Kilometer entfernt von Meißen. Noch im selben Jahr begann man mit der Förderung.
Der Abbau des Seilitzer Kaolins begann im 18. Jahrhundert im Tagebau. Den ersten legte der Blaumaler Grösel an, bald darauf begannen auch Gutsbesitzer des Seilitzer Landes Kaolin abzubauen und ihn der Königlichen Porzellan-Manufaktur zu verkaufen. Bei der Anlegung dieser Tagebaue wurden die über dem Kaolin liegenden Schichten (Mutterboden, Lehm) auf Flächen von maximal zehn Quadratmetern abgetragen. Die Arbeit im Tagebau war jedoch mit mehreren Problemen verbunden. Die seitliche Absicherung wurde immer schwieriger, je tiefer gearbeitet wurde. Das Heraustragen der vollen Weidenkörbe erfolgte über nur dürftig ausgebildete Treppen, das Wasser hielt sich bei Regen lange auf dem tonigen Boden, so dass zeitweilig der Kaolinabbau unterbrochen werden musste. Erst im Jahre 1814 erwarb die Königliche Porzellan-Manufaktur Meissen das alleinige Abbaurecht, indem sie Verträge mit den Gutsbesitzern schloss. Die Ausdehnung der Tagebaue wurde gestoppt, das aufwändige Abtragen der über dem Kaolin liegenden Erdschichten eingedämmt, man begann mit der Ausbeutung tiefer liegender Kaolinschichten. Ab 1825 erfolgte der Übergang zum Tiefbau.
Seit 245 Jahren wird die Seilitzer Kaolinlagerstätte von der Manufaktur Meissen genutzt. Im Vergleich zur industriellen Porzellanherstellung ist die benötigte Menge Kaolin relativ gering, der qualitative Anspruch für die Manufaktur-Fertigung jedoch sehr hoch. Es hat sich erwiesen, dass die dort lagernde „weiße Erde“, die als Hauptrohstoff zur Herstellung der Porzellanmassen eingesetzt wird, am besten den Bedürfnissen der Manufaktur entspricht. Die in der Meissener Manufaktur verarbeiteten Porzellanmassen müssen sich durch hohen Weißgrad und gute Bilgsamkeit bei gleichzeitig hoher Standfestigkeit im Brand auszeichnen. Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen – denkt man beispielsweise an das umfang- und detailreiche Figurensortiment.
Die kleine Schachtanlage – heute mit einer jährlichen Förderleistung von etwa 200 Tonnen – deckt einen Teil des Bedarfes der Manufaktur. Die derzeit genutzte, linsenförmig im Boden liegende, sehr eisenarme Lagerstätte hat eine Mächtigkeit bis zu 25 Metern.
Der Abbau des Kaolins erfolgt in Sohlen, wobei nach dem Vortrieb einer Hauptförderstrecke rückschreitend in Feldern abgebaut wird. Im sogenannten Deckgebirge entstehen in der Folge Bruchfelder, die später wieder landwirtschaftlich genutzt werden können. Nur 5 Meter Höhendifferenz muss man überwinden, um den Schacht zu betreten – trotzdem gilt es als „Einfahrt“, nach der man sich „unter Tage“ befindet. Die Möglichkeiten des Einstieges sind unterschiedlich: Man kann über zwei Leitern oder über ein Stollenmundloch nach Untertage gelangen. Ausgebaut werden die unterirdischen Gänge mit Kiefernholz, im sogenannten „Deutschen Türstock“. Nach dem Abbau des Rohkaolins wird das Holz „geraubt“. Mittels eines Lüfters wird Frischluft in die Förderstrecke geblasen.
Noch heute führen die Bergleute mehr als nur das Brechen, Zerkleinern, Verlesen und Ausfahren des Rohkaolins aus. Sie pflegen außerdem die Schachtanlage, insbesondere deren Holzausbau. Nach dem Transport des Rohkaolins in die Manufaktur wird er aufbereitet, das heißt: zerkleinert, gereinigt, geschlämmt, mit gemahlenem Quarz und Feldspat gemischt, entwässert, gefiltert, gelagert, homogenisiert. Erst danach beginnt die Arbeit der Porzellangestalter, die die formlosen Massen in Meissener Porzellan verwandeln.