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Ein Tag in Havanna beginnt

Havanna, die heutige Hauptstadt des kubanischen Inselstaates, wurde 1514 von spanischen Eroberern gegründet. Die „Schöne“ zeigt ihre mannigfaltigen Kontraste, unmittelbar nachdem wir den etwa einen Kilometer langen Tunnel passiert haben, welcher unter ihrer weiten Bucht hindurchführt. Wir tauchen entweder in der Altstadt (Habana vieja), oder an der langen Meerespromenade, welche uns zu weiteren drei Stadtteilen leitet, wieder auf.

Habana vieja ist durch die Unesco zum allgemeinen Weltkulturgut erklärt worden, gehört also uns allen….. Sobald wir in sie einbiegen, bläst uns die Brise auffälliger Kontraste von Antike und Moderne, Logik und Absurdität sowie Kreativem und noch zu Schaffendem ins Antlitz. Wir werden gleichermassen umhüllt und geimpft vom Erreger einer Folkloremischung aus Spanien, Afrika sowie Indianischem Urbrauchtum.

Habana vieja, gemäss Unesco ein architektonisches Juwel, lässt uns eintauchen in seine von sprudelnder Fantasie überbordenden Prunkbauten und ummodellierten Wohnhäuser. Hier siedeln ungezählte kulturelle Institutionen- wir aber versuchen erst mal, einen Parkplatz und eine Unterkunft zu finden. Ein Mestize mittleren Alters hat uns offenbar bereits erwartet. In seiner ebenso farbenfrohen wie kontrastreichen Kleidung, die sich lückenlos in die Umgebung einfügt, empfiehlt er sich zuvorkommend für einen „fula“ („einen falschen Dollar“), meinen Karren zu hüten. Sollte ich zudem eine Unterkunft suchen, würde er mich gerne zu „Grünen“ (Dollarnoten, die echten) führen, ohne welche man nichts Anständiges bekomme – und natürlich zu einem „paladar“!

Ein Tag in Havanna beginnt -
Fassaden in Havanna

Dabei handelt es sich um eine restaurantähnliche Einrichtung feinster Geschmacksrichtung, die über mindestens einen Stuhl mit Tischchen verfügt. Diese zählt damit zu jenen privaten Essecken, die im Havanna der 90er-Jahre quasi über Nacht aus dem Boden geschossen sind. Sie sind zwar illegal und umgehen so die ihrer Meinung nach zu hohe Restaurationsbesteuerung, dafür bieten sie meist ebenso hervorragendes wie günstiges Essen –  natürlich ausschliesslich gegen „Grüne“. In Verdankung seiner geleisteten Dienste erhält der Vermittler jeweils vom Gast eine kleine Kommission.

Wie es der Zufall will, verfügt unser Vermittlungsexperte über einen 20-jährigen Neffen,   der an irgendeiner technischen Hochschule studiert und sich als Fremdenführer betätigt. Der Vermittler wird zum echten Vermarkter, wenn er uns in den schönsten Farben schildert, wie dieser Neffe uns an seinem freien Nachmittag aus seinen fundierten Kenntnissen alle zum Allgemeinwissen notwendigen Details über die Festung del Morro, La Cabaña, el Cristo de Habana, die Kathedrale, das (zu Konzertzwecken umgebaute)  antike Kloster des Heiligen Franziskus von Assisi, das Kapitol und den ehemaligen Präsidentenpalast – heute das Revolutionsmuseum – offenbaren würde.. Als Zeichen seiner patriotischen Gesinnung hätte er nicht die Unverschämtheit, uns dafür auszunehmen, sondern wünsche – bescheiden wie er sei – lediglich ein paar Markenkleider und –schuhe als Zeichen der Annerkennung. Allerdings ausschliesslich solche von Adidas, Fila, Reebok und Tommy oder ein paar „fulas“ (siehe oben). Wir bedanken uns höflich für die äusserst grosszügige Offerte und  bedauern, sie abweisen zu müssen, weil wir mit der prächtigen Umgebung bereits bestens vertraut sind.

Unser Agent, fröhlich und sehr quirlig, gibt sich noch nicht geschlagen und versichert selbstbewusst: Wie es sich für eine richtige Fiesta gehört, könnte ich Ihnen eine hübsche „Niña“(jugendliches Mädchen) vorstellen!“ Selbstverständlich nehme ich an, dass er damit kein Freudenmädchen meint, denn diese sind hier derart streng verboten, dass die Polizei Zuwiderhandlungen äusserst rigoros verfolgt. Wer erwischt wird, sei er Einheimischer oder Ausländer, erhält „una pila“ (unvorstellbar viele Tage) im Gefängnis aufgebrummt, und niemand wird ihn dort jemals herausholen!

Ein kleiner Junge unterbricht unseren Dialog mit der Bitte um einen Dollar für Caramelos. Ohne auf ihn einzugehen fährt ihn unser Mittelsmann an: „Hör mal zu mein Kleiner, hau’ sofort ab! Schämst Du dich nicht? Die Revolution sichert dir das Schulgeld, ein Dach über dem Kopf, die Gesundheit und das Essen. Warum bettelst du dann noch und belästigst diesen „Pepe“ (Tourist)? Wenn dich ein Polizist sieht, erfreut er deine Eltern mit einer saftigen Busse, auf welche du die Urheberschaft in Anspruch nehmen darfst!“

Entschlossen will ich meinen Spaziergang beginnen und vertraue meinem selbst ernannten Parkwächter meinen Citroën an. Erstaunt über das abrupte  Ende der     möglicherweise längerfristig geplanten Verhandlungen und Geschäftsbeziehungen stellt er mir das liebenswürdige Zeugnis aus, ich sei ein „yuma“(verdammter Ausländer)! Versöhnlich fügt er allerdings hinzu, ich spräche sehr gut spanisch. Es sind solche Wendungen, die auf Kuba einer Beziehung meist eine schmeichelhafte Schlussnote verleihen. Ich überlasse ihn seinen Überzeugungen um meinen Rundgang durch Habana vieja fortzusetzen. Sonst kriege ich meinen nächsten Bericht aus Havanna nie hin.

Autor & Fotos: Marco Antonio Martinez Cabrerizo

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